Argumente und Belege für kR

  • Mehr Raucher mit Änderungswunsch werden erreicht -
    • bzw. mehr Änderungswünsche werden überhaupt erst induziert und gefördert
    • unsystematische Berichte, u.a. von Bolliger (2000) oder Batra (2002; 470 Anfragen in 3 Monaten gegenüber ca. 200 pro Jahr) - ähnlich beim kontrollierten Trinken.
  • Kontrollierter Konsum ist nachgewiesenermaßen möglich -
    Hughes (2000)-Review
    1. Naturalistische und Populationsstudien zeigen, dass eine erhebliche Zahl von Rauchern spontan deutlich reduziert und die Reduktion aufrecht erhält,
      » sei es in der Population aller Raucher (Farkas, 1999: -43% bzw. -13 Zig./Tag nach 2 J.; Hughes et al., 1999: -30% bzw. -8 Zig./Tag nach 3 J.)
      » oder bei Rauchern, die nach einem Aufhörversuch rückfällig werden (6 Studien): -7% bis -32% bzw. -2 bis -10 Zig./Tag nach ½ bis 4 J.
    2. 6 experimentelle Studien (VT u/o NRT) mit nicht aufhör-, aber reduktionswilligen Personen: Median 42% Reduktion (z.T. auch längerfristig aufrecht erhalten, 6 bis 30 Monate)
    Fazit: Eine erhebliche Zahl von Rauchern schafft es spontan oder nach Intervention, signifikant zu reduzieren und die Reduktion langfristig in bedeutsamem Maße aufrecht zu erhalten.
  • kR kann den Einstieg in den Ausstieg bedeuten -
    a. ... weil vielleicht Reduktion von vornherein nur als Durchgangsstation auf dem Weg zur Abstinenz gesehen wird, b. weil Reduktion nicht gut klappt oder zu schwierig ist, c. weil Reduktion sehr gut klappt und das zu mehr motiviert.
    • Stellvertretend für oft replizierten Befund: Daten von Batra & Haustein (mündl. Mitteilung, 2002): von 385 Teilnehmern eines Reduktionsprogramms, die nicht willens oder nicht in der Lage waren, aufzuhören, waren nach 1 Jahr 10% abstinent.
    • Hughes (2000)-Review: 2 Populationsstudien (Hughes et al., 1999, Farkas 1999) und eine Rückfallstudie ("Bjornson 1999" = Murray et al., 1998) zeigen ähnliche Trends: Nur die, die stark reduzieren (>50%), haben eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, 2 J. später abstinent zu sein. Bei anderen (< 50% Reduktion) kein Unterschied zu Personen, die mehr rauchen als vorher.
    Fazit: Dass Reduktion Abstinenz befördert, ist wiederholt nachgewiesen. Von welchen Faktoren die Stärke des Effekts abhängt, bleicht zu klären.
    Die Datenbasis ist wenig differenziert an diesem Punkt: Hughes (2000) weist darauf hin, dass nur Personen untersucht wurden, die (eh schon) reduzieren wollten, nicht etwa ganze (unausgelesene) Populationen. Außerdem wurden die individuellen Motive, Dynamiken und Verläufe nicht untersucht.
  • kR kann ein "Sicherheitsnetz" für rückfällige Abstinente sein -
    • Hughes (2000)-Review: 6 Rückfallstudien (s.o.) zeigen: Eine größere Anzahl Abstinenzwilliger mit Rückfall landet bei reduziertem Konsum und hält den auch (-7% bis -32% bzw. -2 bis -10 Zig./Tag nach ½ bis 5 J.).
      Die Chancen scheinen besser zu stehen, wenn die Behandlung in einer schrittweisen Reduktion bestand, als wenn abrupt aufgehört wurde.
  • Durch kR kann eine Schadensbegrenzung (harm reduction) erreicht werden -
    • Methodisch schwierige Beurteilung.
      Meist wurden klare Dosis-Wirkungs-Beziehungen (zw. der Menge des Rauchens und Krankheitsanfälligkeit) in epidemiologischen Studien (d.h. im interpersonellen Bereich) nachgewiesen. Deutlich seltener sind jedoch Längsschnittstudien, die intrapersonell z.B. den Rückgang von Krankheitssymptomen, Krankheitsrisiken oder Biomarkern nachweisen - und wenn, dann meist für das Aufhören. Bekanntes Beispiel: Für die koronaren Herzerkrankungen liegen aus großen Bevölkerungsstudien (z.B. MRFIT, Framingham) entsprechende längsschnittliche, intrapersonelle Daten zur Veränderung des KHK-Risikos vor.
      Aber in welchem Ausmaß z.B. das Krankheitsrisiko für Lungenkrebs sinkt, wenn jemand von 30 auf 10 Zig. pro Tag reduziert, ist nicht einfach ablesbar in epidemiologischen Tabellen, die 30-Zig.-Raucher und 10-Zig.-Raucher aufführen. Es werden vielmehr zusätzliche Faktoren eine Rolle spielen, wie die Dauer des Rauchens, das Alter der Person, die Dauer der Reduktionsphase, Zusatzrisiken oder protektive Faktoren etc.
    • Manche Krankheitsparameter sinken auch nicht linear mit der Reduktionsmenge (Benowitz et al., 1986), sondern langsamer - u.a. wegen Kompensationsverhaltens.
    • Es gibt eine Reihe von Studien, die Rückschlüsse auf mögliche Schadensreduzierungen (harm reduction) gestatten (hier klicken für weitere Informationen, als PDF).
    Fazit: Hughes und Carpenter (2006) kommen in ihrem groß angelegten Forschungsüberblick (per Metaanalyse) zu dem Schluss, dass es einzelne durchaus überzeugende wissenschaftliche Belege für Schadensminimierungen durch eine Verringerung der Rauchmenge gibt, dass das Gesamtbild allerdings noch uneinheitlich ist, und man deshalb derzeit nicht von einem generellen körperlichen Gewinn ausgehen kann. Sie halten eine Intensivierung der Forschung in diesem Bereich für nötig.
    Was davon unberührt bleibt, ist aber auf jeden Fall die nicht selten gewählte Variante des "Durchstiegs" in den Ausstieg.

Argumente und Belege wider kontrolliertes Rauchen

  • Kompensatorisches Verhalten ist zu erwarten -
    • Kompensatorisches Verhalten ist vor allem bei Light-Zigaretten und erzwungener Reduktion (Benowitz et al., 1986) nachgewiesen.
    • In den untersuchten 6 Therapiestudien lag die prozentuale CO-Reduktion im Mittel bei 75% der selbstberichteten Zigarettenreduktion.
    Fazit: Ein gewisses Maß an kompensatorischem Verhalten ist zu erwarten, aber es bleiben signifikante Verringerungen der Giftstoffe.
    Interessant zu untersuchen wäre die Frage, inwieweit kompensatorisches Verhalten durch Aufklärung, Reflexion und spezifische Hilfestellungen eingeschränkt werden kann.
  • Rückfälle sind wegen dauernder Vigilanz wahrscheinlich -
    Erläuterung zur Tabelle:
    Zwei Therapiegruppen (G1 und G2) wurden nach untersucht. In G1 waren nach 4 Jahren noch 18% unterhalb von 50% ihres Ausgangskonsums, 18% waren abstinent geworden (macht zus. 36%). G1 wurde nach 4 Jahren nicht untersucht (nu) und lag nach 3 Jahren bei 13% konstant reduziert Rauchenden sowie 20% Abstinenten (Summe: 33%).
    • Colletti et al. (1982) (s. Tab.): experimentelle Therapiestudie: nach 3-4 Jahren erfüllten 18% der Reduzierer noch das Reduktionskriterium (mind. 50% weniger als baseline) und weitere 18% waren zur Abstinenz übergegangen (und 64% zurückgefallen hinter < 50%).
    Fazit: Rückfälle sind nicht wahrscheinlicher als bei Abstinenz, vermutlich sogar seltener, und ein nicht unerheblicher Teil wechselt (auch später noch) zur Abstinenz.
  • Abstinenzfähige Personen werden durch kR zum Rauchen verführt -
    • Gemeint sind Raucher, die eigentlich zu Abstinenz in der Lage wären, aktuell Abstinente oder sogar Nie-Raucher.
    • Wie häufig das ist, weiß keiner - Daten dazu fehlen, erst recht solche aus Populationsstudien.
    • Reduzierter Konsum ist nicht selten Durchgangsstation zur Abstinenz (s.o.).
    • Der direkte Vergleich zwischen einem Programm, das nur Abstinenz vorsieht, und einem, das daneben auch kR ermöglicht, ergibt keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen in allen Outcome-Variablen (Glasgow et al., 1989), d.h. reduktions- und abstinenzorientiertes Programm sind hinsichtlich beider Kriterien gleich wirksam.
    Fazit: Durch kR-Programme werden mehr Raucher erreicht als durch abstinenzorientierte Programme - auch solche, die sonst nicht änderungsmotiviert wären (z.B. Raucher mit vielen Aufhörversuchen). Abstinenzdestruierende Effekte sind bislang nicht nachgewiesen. Außerdem gehen aus reduktionsorientierten Programmen z.T. gleich viele Abstinente hervor wie aus abstinenzorientierten.





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